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PLACE 2 B KAGGE

Erinnern Sie sich noch? Als es den Spinat mit dem Blub gab, und Telefonnummern, bei denen Ihnen geholfen wurde? Als ein kleines Liebchen von Dieter Bohlen zum Werbestar aufstieg, Erotik-Magazine auf dem Brain-Channel RTLII moderierte, Bohlen heiratete, sich von ihm scheiden ließ und dann einen windigen Investor heiratete? Wie affig fanden wir das? Ohne richtige Leistung zu einem „Star“ gemacht worden zu sein.

Die einen fanden Verona Feldbusch-Pooth gigantisch ätzend, weil sie ihre stagnierende Karriere als Chocolate-Frontfrau mit dem notgeilen Fickerig Bohlen wieder in Gang brachte und mit einer antrainierten Piepsstimme alle in den Wahnsinn trieb – auf youtube lassen sich alte Videos finden, in denen Vroni noch mit ihrer Original-Stimme spricht -, die anderen liebten sie, weil sie ja sooo doof nicht sein konnte.

Die Medienwelt hatte es aber nicht kapiert. Und wer nicht hören will, muß fühlen. Deshalb rülpste uns die TV-Hölle die Katze in den 100-Hertz-Röhrenfernseher. Daniela Katzenberger – blond, tittenlastig und verrutschte Permanent-Augenbrauen. In irgendsoeinem VOX-Aussteiger-Format durfte sie ihre Vorstellung vom Auswandern präsentieren: alle sind doof, wenn sie von ihr verlangen, pünktlich und arbeitsam zu sein. Deutsche Tugenden sind ja ohnehin oldfashion und nazi; deshalb kam es wohl so gut an.

Mit dem Brecheisen wurde die Katzenberger installiert. Mit nichts. Nur blond, Titten und Kicher.

Rückwärtig betrachtet ebneten Feldmaus und Fratzenberger einer Generation von Nichtsnutzen den Weg. Mittlerweile sind Pro7SAT1 und RTL in der Lage, Formate wie Ich bin ein Star – holt mich hier raus oder Schlag den Star mit den kleinen Frankensteinen ihres Versuchskellers zu befüllen und keiner merkt’s. Verblödungssendungen wie taff oder RTL exclusive können sich über die gesamte Sendezeit mit nichtssagenden Anti-Promis hangeln, ohne rot zu werden. Und wenn es nur das instagram-Foto ist, das man aufzoomt oder in Zeitlupe am Fokus vorbeiziehen läßt – zack – wieder 3 Minuten Sendezeit voll.

Was billig ist – für die Sender finanziell, für den Zuschauer qualitativ – läßt sich natürlich immer noch steigern.

Schaut man sich die „Scripted Reality“-Branche an (z.B. Achtung! Kontrolle! oder Berlin – Tag und Nacht), trauert man ein wenig wehmütig Richterin Barbara Salesch nach. Da gaben sich auch schwarzarbeitende Hartz-IV-Empfänger als „Laiendarsteller“ die Kulissen-Gerichtssaal-Türklinke in die Hand, aber immerhin durfte Babsi drakonische Strafen verhängen – manchmal auch für das fehlende Schauspieltalent der hektisch gecasteten Brot-und-Spiele-Hackfressen.

Der Narr, der meinte, tiefer ginge es nicht, wird seit dem Siegeszug des Internets eines besseren belehrt.

Wer nämlich keinen Bock auf kritisches Casting oder gar auf eine ablehnende Haltung halt – die Lehrer, die einem für’s Nichtstun ehecht eine 6 gaben waren schon kagge genug – machen sich einfach selbst zum Star. Irgendwo da draußen gibt es ein paar Deppen, die finden mich cool.

Sollte es in der Hölle eine Modernisierung geben, bin ich fest davon überzeugt, daß man dort mittlerweile dazu verdonnert wird, über Jahrhunderte youtube-Channel gucken zu müssen.

Und wieder werden keine Krebsheilungsmethoden oder Mittel gegen den Welthunger vorgestellt, nein, überwiegend kleine Mädchen zeigen wie man sich schminkt – Awwww! – oder wie man toootaaal lustig durch den Alltag kommt. Kann auch schon mal sein, daß die Mädels mit Frühchen-Statur eher als Wichsvorlage herhalten müssen, wenn sie im knappen Tanktop und Cameltoe-Sporthosen bauchfrei zeigen, wie man trotz täglichen McDonald’s-Besuches den Waschbrettbauch fit hält. Ist natürlich glatt gelogen, aber wen kümmert’s?

Haben diese verlogenen Wohlstandsrotzgören genug Abonnenten für ihren geistigen Video-Durchfall gefunden, wird die Werbeindustrie auf sie aufmerksam und schon ist man im Millionen-Geschäft ‚drinne. Es hilft natürlich ungemein, zu wichtigen Dingen die Fresse zu halten, es sei denn, man labert stromlinienförmig den Dreck nach, den sowieso jeder quatscht. „Refugees welcome“, „Ökostrom“, „Vegan ist geil“. Den Scheiß.

Rein zufällig weist man dann nur noch auf gesponserte Schminkutensilien hin oder trägt rein zufällig nur noch die hippen Sneakers von Nike, die ja sowieso schon immer die Lieblingsbotten waren. Jetzt halt für umme.

(Vertragliches Opfer unvorhersehbarer Geschehnisse ist übrigens Sarah Lombardi. Gebeutelt von den Folgen ihres plakativen Fremdvögelns hat sie derzeit vermutlich anderes zu tun, als angeblich ach so gesunden Tee in die Selfie-Linse zu halten. Tja. So prüfe, wer sich ewig bindet – an Werbeverträge jeglicher Art.)

Anstatt sich Sorgen um den pisagebeutelten Nachwuchs zu machen, schmiert man ihm noch mehr Honig um’s Maul und tut so, als seien sie Stars. So wie richtige, so wie echte.

Der Axel-Springer-Verlag läßt sich nicht lumpen und schmeißt ’ne Party. Jetzt könnte man den Kiddie-Quatsch „Soziale Medien Gala“ nennen, in hippen Anglizismen von mir aus auch „Social Media Event“. Das ist aber nicht bedeutend genug. Man lobt den PLACE TO B INFLUENCER AWARD aus (die schreiben den ausschließlich groß). Einen Preis für Einflußnahme.

Kleiner Auszug aus der Presseerklärung gefällig?

„Influencer sind die Stars der digitalen Welt und bewegen ein Millionenpublikum. Sie sind damit ein natürliches Thema für BILD. Mit dem PLACE TO B INFLUENCER AWARD wollen wir den Stars des digitalen Lifestyles eine noch größere Bühne geben und ihre Arbeit würdigen.“

Würdigen. Ihre Arbeit. Nee, is‘ klar.

Leider habe ich nirgends finden könne, wer die eigentlich gewählt hat. Ob es die klassische Besetzungscouch gab, eine Lostrommel oder eine Dart-Wand mit Zufallsprinzip. Die „gewürdigte Arbeit“ läßt sich unabhängig von meiner verachtenden Sichtweise schlecht messen. Höchstens als Hitparade der Abonnenten- oder Follower-Zahlen.

Und über den Porno-Oscar haben wir immer gelacht.

Das war der erste PLACE TO B INFLUENCER AWARD, der von den alten, weißen Männern des Springer-Verlages vergeben wurde. Interessant wäre ja, welche Werbefirma, deren Angestellte vermutlich 40+, vegan und „junggeblieben“ sind, für die Namensfindung verantwortlich schreibt. Der für meine Begriffe etwas umständlich-vermurkste Name hätte ja noch etwas grooviger anmuten könne, hätte man das TO durch eine Zwei ersetzt. Oder ist das zu 90iger?

Vermißt habe ich Verona Pooth, zwischen all‘ den milchbärtigen Bubies und pubertierenden A-Cup-Trägerinnen. Der Mutter aller dünngeistigen Oberflächligkeiten, unnützer Lebensentwürfe und frauenrechtlerischer Rückschritte kann man schließlich nicht zum Vorwurf machen, daß sie ihrer Zeit voraus war und daß Facebook und Instagram zu spät kamen. Vroni hätte den „Lifetime Award 2 B einflußreich“ verdient. Mindestens.

Oh,sorry. Großgeschrieben, natürlich: LIFETIME ARWARD 2 B EINFLUSSREICH.

Wer den INFLUENCEd Text von mir nicht mag, kann sich die Selbstbeweihräucherung der BILD hier anschauen.

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