Ah. Da ist es wieder. Dieses Gefühl um den Zeitgeist.
Klar, kommt ein Mensch zu Tode, ist das tragisch.
Surft einer mit der S-Bahn, bleibt es tragisch, aber Idioten gibt es immer. Da wird mein Mitleid nur begrenzt angesprochen.
Ebenso verhält es sich bei jenen, die es mit „mein und Dein“ nicht so genau nehmen.
Welch‘ ein unterdrückter Aufschrei ging gestern durch’s Land: da hat ein Supermarkt-Leiter einem Ladendieb so dermaßen auf’s Maul gehauen, dass der daran Tage später verstarb. Es bleibt dabei: das ist tragisch.
Mittlerweile wird das schlagzeilenträchtige Geschehen mit ein bisschen mehr Inhalt befüllt: der Ladendieb machte das beruflich. Der Supermarkt-Leiter allerdings auch. Also Ladendiebe verprügeln. Grundsätzlich scheiße. Ich habe was gegen Wild-West-Manieren und der entsprechenden Selbst-Justiz.
Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet blüht in mir jedoch wenigstens ein Quäntchen Verständnis. Der Ladendieb war polizeibekannt. Gegen ihn eingeleitete Verfahren wurden bereits eingestellt. Man kennt das. Berliner Justiz und so. Und dann kommt der regelmäßig wieder und bedient sich. Der Schutz durch die Judikative oder zumindest die Exekutive läßt sich da schwer erkennen. Da kann man schon mal meinen, selbst Hand anlegen zu müssen. Zumal jener Ladendieb auch im Laden bekannt war und bereits Hausverbot hatte.
Tragisch. Aber den Ladendieb hat dazu keiner gezwungen.
Der Tenor des Artikels in der B.Z. von gestern drängt mal wieder den Gedanken auf, Diebe hätten eine faire Chance verdient. Nein, haben sie nicht. Einbrecher, Auto-, Laden- und Handtaschendiebe – bei mehr Zivilcourage wäre dieses Land nicht deren Eldorado.
(Quelle: s. B.Z.-Link oben vom 29.09.2016)